premium Assistentinnen im Lead

Von der Assistenz in die Führung

Assistenzen agieren immer häufiger auch als Führungskräfte – sei das als Vorgesetzte eines Pools, eines Teams oder aufgrund eines breiteren Aufgabenspektrums. Vier Assistenzen berichten, wie sie in ihre Führungsposition gelangten, wie sie führen und ­was ihnen dabei wichtig ist.

Die Reform 2023 der Berufsprüfung Executive Assistant (Direktionsassistent/-in) integrierte neue Handlungskompetenzen wie «Selbstmanagement» und «Teamführung» (siehe auch Box). Gerade Letzteres wird im Assistenzbereich immer wichtiger. Assistenzen sind längst nicht mehr nur die «Geführten» von ihren Vorgesetzten, sondern übernehmen selbst vermehrt Führungsaufgaben. Sie kennen somit beide Seiten der Leadership-Medaille.

«Beides zu ­kennen, ist ein Gewinn für den Alltag», sagt Sandra Ponzio-Gut, Bereichsassistentin der Abwasserreinigungsanlage Werdhölzli in Zürich. Als «Geführte» unterstütze sie Menschen bei der Problemlösung und dabei, Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. «Als Führungskraft indes mache ich Vorschläge und lenke Gespräche.» Für Selina Montanaro, Assistenz Institutionsleitung Durchgangsheim Vogelsang bei Familea in Basel, besitzen ebenfalls beide Rollen ihre spannenden Aufgabenfelder. «Durch meine Rolle als Geführte kann ich mich leichter in meine Mitarbeitenden hineinversetzen und so Anliegen besser nachvollziehen, und als Führungskraft habe ich die Möglichkeit, ihnen Erlerntes weiterzugeben.»

War die Führungsposition für Natalia Sen Gupta, Executive Assistant CEO bei der Confiserie Sprüngli AG in Zürich zuerst ungewohnt, erlebt sie die Dualität «Geführte versus Führung» heute als Bereicherung. «Sie erlaubt mir, verschiedene Blickwinkel einzunehmen. So sehe ich meinen Chef einerseits als Vorgesetzten, aber auch als Mentor, von dem ich lernen und wodurch ich meine eigenen Führungsqualitäten verbessern kann.»

Beide Seiten hätten sowohl positive wie auch negative Aspekte, bestätigt auch Brigitte Wartmann, Executive Assistant COO bei der Axpo Services AG in Baden: «Als Geführte kann ich mir Ratschläge abholen und meine Aufträge genau ausführen. Als Führungskraft kann ich wiederum meine eigenen Vorschläge einbringen.»

Der Weg in die Führung

Der Weg in die Führung ist vielseitig. Natalia Sen Gupta beispielsweise bekam ihre Führungsfunktion bei Sprüngli als Ergänzung zu ihrer bisherigen Rolle als Executive Assistant des CEO, da die Abteilung Empfang direkt dem CEO unterstellt ist. Ebenfalls intern in ihre Rolle hineinbefördert wurde Brigitte Wartmann. «Ich war bereits seit einigen Jahren bei Axpo als Assistentin tätig, als ich für die Teamleader-Rolle angefragt wurde – und da habe ich ja gesagt.»

Auch bei Sandra Ponzio-Gut im Werdhölzli wurde ihre Führungsrolle neu geschaffen: «Wir wollten die Stellen der Sekretärin neu gestalten. Dabei kam auch die Frage auf, von wem die beiden geführt werden – und so kam ich zu meinem heutigen Job.» Selina Montanaro indes übernahm bei Familea eine Führungsrolle, da die Assistenz der Heimleitung auch die Leitungsaufgaben für die Mitarbeitenden der Hauswirtschaft einschliesst. 

Wer führt, braucht spezifische Fähigkeiten wie beispielsweise grössere Zusammenhänge zu erkennen und Struktur in Abläufe einzubringen, sagt Sen Gupta. «Aber ebenso fundierte Kenntnis der Kundenanliegen, damit diesen Rechnung getragen werden kann – und nicht zuletzt ausgeprägte zwischenmenschliche Fähigkeiten.» Die Leitung der Hauswirtschaft erfordert von Montanaro zum einen Organisationstalent sowie einen Blick für das Ganze, «zum anderen aber auch Flexibilität und kurzfristiges Mitanpacken, beispielsweise bei unvorhergesehenen Personalausfällen». Darüber hinaus müsse das Budget der Hauswirtschaft eingehalten und Anschaffungen besprochen sowie geplant werden. «Auch die jährlichen Mitarbeitergespräche zählen zu meinem Aufgabengebiet. Wichtig ist mir, die Anliegen der Mitarbeitenden zu erfassen und über ihre Anforderungen und Wünsche zu sprechen.» Dazu brauche es eine klare und bestimmte Kommunikation sowie Empathie für das Gegenüber.

Sandra Ponzio-Gut benötigt als Assistentin in einer Führungsposition nebst den grundlegenden Assistenzfähigkeiten spezifisches Können wie beispielsweise Kommunikationsfähigkeiten sowie Vertraulichkeit und Diskretion. Am wichtigsten für Brigitte Wartmann in der Führung sind Lebenserfahrung und Empathie. «Ich höre oft auf mein Bauchgefühl, das hat eigentlich immer recht.» Dazu kämen Fähigkeiten wie Fachexpertise, Allgemeinwissen und Teamfähigkeit.

Als Führungsperson besonders wichtig sind der Sprüngli-Assistenz Natalia Sen Gupta eine offene Kommunikation und der Miteinbezug der Mitarbeitenden, sodass jedes Teammitglied seine Fähigkeiten und seine Persönlichkeit entfalten kann. Dass sich ihre Mitarbeitenden ernstgenommen fühlen, ist auch für Selina Montanaro, Assistenz bei Familea, essenziell: «Dafür setze ich ebenfalls auf eine offene Kommunikation.»

Auch das Wahrnehmen von Anliegen und das aktive Zuhören seien für sie wichtige Aspekte. So möchte Montanaro als Vorgesetzte präsent und aufmerksam sein, aber auch Klarheit und Struktur vermitteln. «Integrität, Authentizität, Respekt und Empathie sowie Professionalität und Kompetenz sind für mich die wichtigsten Werte», betont indes Werdhölzli-Assistenz Sandra Ponzio-Gut. Augenhöhe ist das Stichwort für Axpo-Assistenz Brigitte Wartmann: «Ich möchte als gleichwertige Partnerin und nicht unbedingt als Vorgesetzte wahrgenommen werden.» So sehe sie sich eher als Sparringspartnerin und Motivatorin, die selbst auch mal Fehler machen darf. 

Zukunft der Führung

Ob steile oder flache Hierarchien, Ab- oder Aufbau von Führungsbereichen: Wie sehen die vier Assistenzen die Führung der Zukunft? Natalia Sen Gupta, Executive Assistant CEO bei der Confiserie Sprüngli AG, machte sowohl Erfahrungen mit flachen Hierarchien wie traditionellen Führungsmustern, «und beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile. Bei der flachen Hierarchie schätze ich die Möglichkeit, dass man sich als Mitarbeitende stärker einbringen kann, bei der steilen die Klarheit der Entscheide». Brigitte Wartmann, Executive Assistant COO bei der Axpo Services AG, tendiert eher zu flachen Hierarchien und ist ebenfalls davon überzeugt, dass Organisationen künftig vermehrt diesen Weg einschlagen werden.

Flache Hierarchien bevorzugt auch Selina Montanaro, Assistenz Institutionsleitung Durchgangsheim Vogelsang bei Familea, da sie den Austausch untereinander fördern: «In diesem System begegnen sich Vorgesetzte und Mitarbeitende auf Augenhöhe. Zudem unterstützt eine flache Hierarchie die Selbstständigkeit und die Eigeninitiative der Mitarbeitenden.» Insgesamt werde die Führung der Zukunft wahrscheinlich von einer Kombination aus traditionellen und innovativen Ansätzen geprägt sein, die darauf abziele, die sich verändernden Bedürfnisse und Herausforderungen in Organisationen zu bewältigen, sagt Sandra Ponzio-Gut, Bereichsleiterin der Abwasserreinigungsanlage Werdhölzli. «Das bedingt allerdings, dass Führungskräfte flexibel, empathisch und bereit sind, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.»

Kommentieren 0 Kommentare

Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

Weitere Artikel von Christine Bachmann
Log in to post a comment.

KOMMENTARE

ADD COMMENT

Das könnte Sie auch interessieren