Trauerfall

Richtig Abschied nehmen

Jedes Jahr sterben in der Schweiz rund 80 000 Menschen, etwa 15 000 davon im berufsfähigen Alter. Pro Trauer­fall sind fünf bis zehn Menschen intensiv und emotional mitgenommen, viele davon stehen mitten im Berufsleben. Und wer trauert, geht nicht einfach so zur Tagesordnung über.

Ein Mitarbeiter, der aufgrund seiner Trauer nicht alles geben kann, oder eine ganze Abteilung, die durch den plötzlichen Tod eines Kollegen lahmgelegt wird, unterbrechen den normalen Betriebsablauf und werden in vielen Unternehmen deshalb erst einmal als Störfall wahrgenommen. «Man täte aber gut daran, Trauernde so weit als möglich zu unterstützen», sagt Wolfgang Weigand, freier Trauerberater und Coach. Denn wer sich gut begleitet fühlt, dankt das mit Loyalität. Wer dagegen in dieser Ausnahmesituation kein Verständnis findet und seine Trauer nicht ausleben kann, der geht oft in einen inneren Widerstand. Weigand empfiehlt deshalb einen offenen, ehrlichen und menschlichen Umgang mit Todesfällen, egal ob es um Mitarbeiter oder deren Angehörige geht. Gerade Assistentinnen sind oft nah am Team dran, kennen die Betroffenen, haben soziale und emotionale Kompetenzen und sind kommunikativ. Die perfekten Voraussetzungen also für einen guten Umgang mit Angehörigen, Kollegen und dem schwierigen Thema Tod. 

Kleine Rituale helfen

Es lässt sich nicht beschönigen: Die Nachricht vom Tod eines Mitarbeiters ist immer ein Schock für das berufliche Umfeld. Je unvor-bereiteter er eintritt, desto schlimmer. Auch wenn emotionale Reaktionen zu erwarten sind, sollte die Nachricht schnell und am bes-ten persönlich überbracht werden. «Danach sollte man gerade engen Kollegen unbedingt Zeit geben und nicht erwarten, dass sie sofort weiterarbeiten, als sei nichts gewesen», rät Weigand. Wenn ein grosser Personenkreis informiert werden muss, kann auch ein E-Mail das Mittel der Wahl sein. Eine vorbereitende Betreffzeile, «Traurige Nachricht» zum Beispiel, und ein im Text genannter Ansprechpartner sollten dann aber unbedingt enthalten sein, sagt Weigand. 
 
Doch mit der Übermittlung der traurigen Nachricht ist es nicht getan. Auch wenn die Beziehungen im Beruf meist nicht so eng sind wie unter Freunden: Arbeitskollegen verbringen viel Zeit miteinander und die Trauer über einen Todesfall ist auch im Kollegenkreis meist gross. Weigand empfiehlt deshalb auch im beruflichen Umfeld kleine Rituale, um ihr Raum zu geben. Eine Gedenkfeier, in der man zusammensitzt und sich gemeinsam erinnert zum Beispiel, oder eine Ecke mit einer Kerze und einem Foto. Auch ein Kondolenzbuch ist sinnvoll, darin können die Kollegen ihrer Trauer Ausdruck verleihen und es kann zudem den Angehörigen übergeben werden. 
 
«Eine meiner Klientinnen hat mir Jahre nach dem Tod ihres Mannes noch die Karte gezeigt, die seine Kollegen damals geschickt haben», erzählt Weigand. Das sei für sie damals sehr wichtig gewesen. Weigand rät unbedingt dazu, persönlichen Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen. Dabei sei die Beziehung zum Verstorbenen wichtiger als die Hierarchie im Unternehmen. «Stärkend ist eine ehrliche und persönliche Anteilnahme», sagt Weigand. Die könne ein enger Arbeitskollege oder eine Assistentin vielleicht besser vermitteln als jemand aus der Personalabteilung. Eine handgeschriebene Karte sei ein starkes Signal. «Leere Floskeln gehen da ins Leere», gibt er zu bedenken. Wer fassungslos ist, solle das ruhig genau so schreiben oder sagen. Neben der offiziellen Anteilnahme durch eine Karte oder Anzeige sind es aber auch die weniger offensichtlichen Dinge, die zählen. Die Hinterlassenschaften des Verstorbenen kann man zusammen mit einer Karte oder einem kleinen Geschenk an die Angehörigen persönlich übergeben und sich bei der Gelegenheit nach ihrem Wohlergehen erkundigen. Und auch Hilfe anbieten, wenn sie benötigt wird. «Das ist für die Öffentlichkeit nicht sichtbar, wirkt aber lange nach», sagt Weigand.
 
Zum guten Ton gehört auch, dass jemand aus der Firma bei der Abdankung des verstorbenen Mitarbeiters vertreten ist. Im Vorfeld ist es ratsam, beim Beerdigungsinstitut oder besser noch bei den Angehörigen nachzufragen, ob Blumen, Kränze oder eine Spende gewünscht, werden und Entsprechendes in die Wege leiten. Man kann auch anbieten, dass ein Firmenvertreter einige Worte des Gedenkens spricht. «Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass es nicht um ein Arbeitszeugnis geht», sagt Weigand. Er rät auch hier, auf Floskeln zu verzichten. «Kurze, freie Worte von jemandem, der selbst emotional nicht allzu betroffen ist, sind am besten», sagt er. Der Redner sollte sich vor der Abdankung aber unbedingt bei den Angehörigen vorstellen, damit es nicht zu Irritationen kommt, weil die nicht wissen, wer da jetzt gerade spricht. 
 
Wenn Kollegen bei der Abdankung dabei sein möchten, sollten sie das natürlich tun dürfen und ohne Diskussion von der Arbeit freigestellt werden. Eine Abdankung ist die letzte Ehre, die einem geschätzten Kollegen erwiesen werden kann, und für viele ist das ein wichtiger Moment des Abschiednehmens. «Wenn das nicht erlaubt wird, führt das ganz sicher zu Spannungen», weiss Weigand. 

Kulanz zahlt sich meist aus

Weit häufiger als der Todesfall eines Arbeitnehmers ist aber der Fall, dass ein Mitarbeiter einen nahen Angehörigen verliert. Wer um seine Mutter, sein Kind oder seinen Partner trauert, ist nicht in der Lage, die volle Leistung zu bringen. Und das je nach Persönlichkeit über längere Zeit. «Trauerprozesse verlaufen sehr unterschiedlich und dauern je nach Person unterschiedlich lang», erklärt Weigand. Jeder Betroffene müsse die Zeit bekommen, die er eben brauche. Weigand rät auch hier zu offener und ehrlicher Kommunikation. «Man kann den Betroffenen ruhig fragen, was er gerade braucht und was ihm hilft», sagt er. Und ihm das dann zugestehen. In den meisten Fällen zahle sich ein gehöriges Mass an Kulanz hinterher aus.  «Wenn ein naher Angehöriger stirbt, bekommt man vom Gesetz her drei Tage frei», sagt Weigand. Das reiche sicher nicht beim Tod des Ehepartners oder gar des Kindes. «Da ist Verständnis gefragt und das Vertrauen in den Mitarbeiter, der nach seiner Trauer sicher wieder alles geben wird», rät er. Und dann profitiert nicht nur der trauernde Mitarbeiter, sondern auch das Unternehmen. Und sogar die Kollegen, auch wenn die vielleicht kurzfristig Tätigkeiten übernehmen müssen. «Die wissen dann aber, dass das umgekehrt auch der Fall wäre, und das schafft sehr viel Vertrauen», erklärt Weigand. 
 
Angesichts der Statistiken ist es für jedes Unternehmen angebracht, sich präventiv mit dem Thema Tod zu beschäftigen. «Das hängt eng mit den Themen Trennungs-, Rückkehr- und Abschiedskultur zusammen», sagt Weigand. Dafür gäbe es meist Regelungen oder Vorgaben, die dann auch im Todesfall greifen könnten. «Routine wird es da zwar nie geben, aber wenn klar ist, wer was macht und was überhaupt gemacht werden muss, wird es einfacher», sagt er. 
 

Checkliste für den Todesfall

  • Mitarbeiter möglichst schnell und persönlich informieren
  • Beileidsschreiben aufsetzen (möglichst handschriftlich) und an die Angehörigen übermitteln
  • Kontakt mit Beerdigungsinstitut oder den Angehörigen aufnehmen, um Wünsche der Hinterbliebenen hinsichtlich der Abdankung zu erfragen (sind Blumen, Kränze oder eine Spende erwünscht?)
  • Traueranzeige schalten (Achtung: Termin abstimmen, denn sie sollte nicht vor derjenigen der Familie erscheinen!)
  • Blumenschmuck oder Kranz bestellen
  • Personalabrechnungsstelle über Ableben informieren, wenn möglich den Angehörigen gegenüber Kulanz zeigen, Lohnzahlungen nicht sofort einstellen!
  • Mailresponder einrichten: Hier reicht eine neutrale Information über Ausscheidung aus dem -Unternehmen und Kontaktdaten des Vertreters
  • Gedenkveranstaltung im Unternehmen organisieren
  • betriebsinterne Zeichen der Anteilnahme setzen (z. B. Erinnerungsplatz mit Bild, Kerze / Blumen auf dem Schreibtisch, Kondolenzbuch)
  • Klären, wer Aufgaben / Tätigkeiten des Verstorbenen übernimmt (bis Stelle neu besetzt wird)
  • Massnahmen zur Neubesetzung der Stelle einleiten
 
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