Beruf und Familie managen

Meisterinnen im Jonglieren

So schwer kann sie doch nicht sein, die Sache mit der Vereinbarkeit. Die Modelle sind bekannt, die Umsetzung harzt. Denn der Assistenzjob ist sehr personenbezogen und darum ein Sonderfall. Doch gerade Assistentinnen haben aussergewöhnliche Kompetenzen, wenn es darum geht, zu organisieren und den Überblick zu behalten.

Berufstätige Frauen, die über Familiengründung nachdenken, machen sich immer auch Gedanken, wie es danach mit ihrem Job weitergeht. Bei Assistentinnen ist das nicht anders. Der Assistenzjob hat jedoch eine Besonderheit: In der Regel arbeitet eine Assistentin direkt für einen Chef. Sie sind ein eingespieltes Team, und pflegen ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis und sind aufeinander eingestellt. Möchte eine Assistentin also das Pensum reduzieren, im Jobsharing arbeiten oder ihre Aufgaben vermehrt im Home Office verrichten, hat das oft direkte Auswirkungen auf die Arbeitsweise ihres Vorgesetzten. Zudem sind, zumindest auf Direktionsstufe, nicht selten 150 Prozent gefragt. Schliesslich macht der Chef auch nicht pünktlich Feierabend.

Hohe Vorbehalte

Helena Trachsel, Leiterin der Fachstelle für die Gleichstellung von Mann und Frau bestätigt das: «Der Assistenzjob unterliegt einer besonderen Hürde, weil hier meist noch das klassische Mann-Frau-Hierarchiegefälle vorherrscht. Die Vorgesetzten erwarten oft, dass ihnen die Assistentin rundum zudient, und Frauen erfüllen diese Erwartungen aufgrund ihrer Sozialisation auch häufig.»

Ist dann Nachwuchs unterwegs, bekommen viele das Gefühl, sie könnten ihren Job nicht behalten. Aber gibt es nicht auch Wege, wie sich diese anspruchsvolle Position mit Familienarbeit vereinbaren lässt?

Das fragt sich auch eine junge Assistentin, die nicht genannt werden will. Sie hat selbst den Job von ihrer Vorgängerin übernommen, weil diese nach der Geburt nur noch 50 Prozent arbeiten wollte. Für den Chef gab es nur eine Lösung: Er wollte eine neue Assistentin. Und zwar eine, die immer für ihn da ist.

Eine? Eine! Das ist noch immer die häufigste Konstellation. Nach Frauen oder Männern, die sich einen Assistenzjob teilen, muss man länger suchen. Bei der Axa Winterthur, die das Thema Familienfreundlichkeit gerade für sich entdeckt hat, haben wir zwei Jobsharerinnen gefunden (lesen Sie ihre Geschichte auf Seite 16). Das Modell ermöglicht ihnen, einen verantwortungsvollen Job als Assistentinnen des CFO auszuüben und gleichzeitig ihren familiären Aufgaben nachzukommen. Für ihren Chef kein Problem. Für viele andere Chefs aber noch immer undenkbar.

«Die Vorbehalte gegenüber diesem Modell sind nach wie vor hoch», weiss Ute Barnickel von 
DA Unternehmensberatung. Sie vermittelt fast ausschliesslich Assistentinnen auf Direktionsstufe und hat es auch schon erlebt, dass sich zwei Frauen im Doppelpack bei ihr um einen Job beworben haben. «Es ist schade, dass nicht mehr Arbeitgeber auf diesen Zug aufspringen. Sie würden Wissen und Netzwerk mal zwei gewinnen.»

In Lösungen denken

Denn zwei wissen immer mehr als einer. Ausserdem kann ein Duo sich auch einmal austauschen, ein Problem besprechen oder sich gegenseitig vertreten. Eigentlich ideal. Woran scheitert es also? «Viele Chefs haben Bedenken, dass die Kommunikation nicht funktioniert, sie alles zweimal sagen müssen oder Informationen verloren gehen», hat Barnickel beobachtet. Aber auch die Bewerberinnen tun sich oft schwer, eine anspruchsvolle CEO-Assistenz zu teilen. «Viele möchten lieber selber allein im Driver’s Seat sitzen und die einzige Ansprechpartnerin für den Chef sein.»

Petra Balzer, Coach für Assistentinnen und deren Führungskräfte aus Hamburg, findet, dass sich gerade der Assistenzjob dafür eignen würde, ihn auf verschiedene Schultern aufzuteilen. Hier werde schliesslich weniger themenbezogen, sondern mehr organisatorisch gearbeitet. Bei einer guten Staffelübergabe und Zeiteinteilung müssten Führungskräfte, die sich mit Smartphone & Co. sowieso zusehends emanzipierten, nicht unbedingt Abstriche machen. Für Balzer ist vor allem wichtig, dass mehr lösungsorientiert statt problembehaftet argumentiert wird. «In vielen Fällen ist Vereinbarkeit sehr wohl möglich. Es liegt aber auch an der Assistentin, dem Chef oder der Chefin frühzeitig aufzuzeigen, welche Alternativen es gibt», so Balzer. «Chefs wollen Lösungen und keine Fragen.»

Paradigmenwechsel nötig

Das betont auch Trachsel: «Die Frauen sollten sich überlegen, was die betrieblichen Bedürfnisse sind, und ihrem Chef oder ihrer Chefin konkrete Vorschläge machen, was sie leisten können und wo sie aber auch das Entgegenkommen des Unternehmens und des Vorgesetzten brauchen», findet sie.

Vielleicht werde der Job dann vorübergehend bisschen anders gemacht, aber er werde erledigt. «Es braucht eine gewisse Offenheit, das auszuhandeln, und zwar von beiden Seiten.

Schwierig werde es erst, wenn statt einer Vertrauenskultur eine Kontrollkultur herrsche und wenn nur ein anwesender Mitarbeiter als guter Mitarbeiter gelte. «Da braucht es noch immer einen Paradigmenwechsel», ist Trachsel überzeugt.  «Mit den technischen Hilfsmitteln kann auch der Assistenzberuf überall ausgeführt werden.»

Neben dem Gespräch mit dem Chef gibt es aber noch ein weiteres wichtiges Gespräch: das mit dem Partner. «Frauen verpassen es oft auch, mit ihren Partnern über das Thema Vereinbarkeit auf Augenhöhe zu sprechen», hat Trachsel beobachtet. Und es ist klar: Je weniger gerecht die Fa
milienarbeit zwischen den Partnern verteilt wird, desto schwieriger wird Vereinbarkeit für den Partner, der neben dem Job auch noch Haushalt und Kinder bewältigt. Das Zauberwort heisst daher: verhandeln. Und eines ist wohl klar: Wenn es jemand schafft, alles unter einen Hut zu bekommen, dann doch wohl Menschen, die es gewohnt sind, zu organisieren, zu improvisieren und den Laden zusammenzuhalten. Assistentinnen eben.

Informationen

go-for-jobsharing.ch: Alle Informationen rund um das Thema Jobsharing. Gut, um sich mit Argumenten zu wappnen.
vereinbarkeit.zh.ch: Plattform mit vielen Tipps und Instrumenten für Arbeitnehmer und Unternehmen, wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingt. Mit ausführlicher Linksammlung zum Thema.
jobsfuermama.ch: Ihr Unternehmen spielt nicht mit? Vielleicht ist es Zeit für einen neuen Job.

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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