Körpersprache

Hände hoch

90 Prozent der Kommunikation erfolgen nonverbal. Der Körper fungiert dabei als Übersetzer unserer Emotionen. Für Frauen ist das Thema besonders wichtig, denn über ihre Körpersprache zementieren Frauen ihre Nachteile in der Businesswelt. Dass es auch anders geht, glaubt Antoinette Anderegg, Expertin für Körpersprache.

Frau Anderegg, Sie veranstalten einen Workshop zu weiblicher Körpersprache im Business. Müssen Frauen bei diesem Thema extra an die Hand genommen werden? 
Antoinette Anderegg: Ich fürchte ja. Frauen sind im Business oft subtilen Machtspielen ausgesetzt, mit denen sie schwer umgehen können. Die Machtverhältnisse im Business sind noch immer zu Ungunsten der Frau. Sie müssen lernen, ihren Platz auf selbstverständliche Art und Weise einzunehmen. 
 
Warum ist insbesondere weibliche Körpersprache für Sie ein Thema?
Wir lernen durch unsere Sozialisierung, wann eine Frau eine Frau ist. Von Frauen werden eher Empathie, Fürsorglichkeit und soziale Kompetenzen erwartet. Männern hingegen werden Führungsstärke, Dominanz und Durchsetzungsvermögen zugesprochen und entsprechendes Verhalten wird eher akzeptiert. Genau diese Qualitäten sind es auch, die man mit beruflichem Erfolg assoziiert. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber in der Regel ist das die Realität. Und solange wir nicht mindestens 30 Prozent Frauen in Führungsrollen haben, wird sich an dieser Kultur auch nichts ändern. 
 
Würden Sie sagen, Männer haben es in Bezug auf die Körpersprache einfacher?
In der Businesswelt ja. Eindeutig. Wenn es dort darum geht, voranzukommen und Karriere zu machen, kommt ihnen ihre geschlechterspezifische dominante Körpersprache entgegen. Frauen, die versuchen, dominantes Verhalten zu imitieren, verlieren gefühlsmässig die Art von Weiblichkeit, die von der Gesellschaft so vordefiniert ist. Sie werden dann gleichermassen von Männern und Frauen abgewertet. Das zeigte übrigens auch das bekannte Heidi/Howard Experiment.
 

«Wer sagt, dass weiblich einen Gegensatz zu dominant darstellt?»

 
Worum ging es da?
Mehreren Probanden wurde ein identischerLebenslauf vorgelegt. Der eine stammte von einer gewissen Heidi, der andere von einem Howard. Zwar wurden beide für ihre Kompetenzen bewundert, aber in Bezug auf ihren Charakter wurden sie komplett unterschiedlich eingeschätzt: Während die Probanden Howard für sympathisch hielten und sofort eingestellt hätten, galt Heidi als egoistische Frau, die sicher ihre Familie vernachlässigt hatte. Der gleiche Lebenslauf wurde also einmal positiv und einmal negativ bewertet. Das zeigt, wie sehr wir von Klischees gesteuert sind. 
 
Was muss sich ändern? 
Frauen müssen lernen, sich gegenseitig zu stärken und ihr Verhalten und ihre Körpersprache in Bezug auf das Spiel mit dem sogenannten Hoch- oder Tiefstatus zu reflektieren. 
 
Was verbirgt sich dahinter?
Wenn sich zwei Menschen begegnen, klären sie unbewusst, wer von beiden den Lead hat, sich also im Hochstatus befindet. Das gilt übrigens nicht nur in beruflichen Beziehungen, sondern auch in privaten. In guten kollegialen oder freundschaftlich-partnerschafltichen Beziehungen übernimmt jeder einmal den Lead, das heisst, Hoch- und Tiefstatus wechseln ab. 
 
Befindet man sich automatisch im Tiefstatus, wenn man hierarchisch unterlegen ist? 
Ja und nein. Ja, weil ich in einer festgelegten Rangordnung den vorgegebenen Status nicht ändern kann. Chef bleibt Chef und Assistentin bleibt Assistentin. Man hält sich in dem Falle an die gängigen Benimmregeln. Nein, weil es auch einen impliziten, also inoffiziellen, persönlichen Status gibt, der mit der eigenen Einstellung und dem Selbstwertgefühl zu tun hat. Hat eine Assistentin beispielsweise immer das Gefühl, stets zu Diensten sein zu müssen, versetzt sie sich damit selbst auch in den persönlichen Tiefstatus. Das ist gar nicht nötig, denn die Assistentinnenrolle ist so breit: Sie kann Teamleader sein, Gastgeberin, Vorbild, Multiplikatorin, Vermittlerin zwischen Team und Chef, Imageträgerin des Unternehmens und so weiter. In jeder dieser Rollen müsste sie ein anderes Verhalten an den Tag legen und auch zwischen Hoch- und Tiefstatus wechseln. Der äussere Status ist nichts Konstantes, im Idealfall ist er flexibel. Je besser sich Menschen verstehen, desto schneller und flacher ist der Wechsel. Dabei geht es wohlverstanden nicht um Stärke und Schwäche. Frauen müssen lernen, genau damit zu spielen. Erfolg bedeutet nicht, dauerhaft im Hochstatus zu agieren. Sowohl hoher als auch niedriger Status können zum Erfolg führen – wenn sie geschickt eingesetzt werden. 
 
Ist Status etwas, das wir nur nach aussen tragen?
Nein. Wir haben auch einen inneren Status. Wer sich nach aussen aufplustert, sich innerlich aber klein fühlt, wirkt aufgeblasen und arrogant. Unser Gegenüber fühlt, wenn wir es damit übertreiben. Der innere Status ist im Gegensatz zum äusseren im Idealfall konstant hoch. Ist eine Person innerlich gelassen und selbstsicher wie auch wohlwollend, dann wird sie nach aussen gar nicht unbedingt im Hochstatus sein müssen, um charismatisch und stark zu wirken.
 
Zum Thema Status gehört auch das Thema Attraktivität. Können Sie das näher erläutern? 
Mit Attraktivität meine ich nicht die natur­­ge­gebene Schönheit, sondern gepflegtes Auf­treten. Wer in seinem Status steigen will, sollte auf ein hochwertiges und geschmackvolles Outfit achten.  Das heisst, bei Kleidung und Make-up ist dezent besser. Hochwertige Kleider signalisieren Niveau, also Bildung. Glitzer und künstliche Nägel wirken dagegen meist vulgär und offene Haare zum Beispiel sind körpersprachlich eher gefährlich. 
 
Wieso?
Weil Frauen dazu neigen, sich dauernd mit ihren Händen durch die Haare zu fahren. Vereinfacht gesagt, signalisieren diese entweder Unsicherheiten, also Tiefstatus, oder sie sind stark sexualisierte Gesten. Haben Sie schon einmal einen Mann beobachtet, der das tut?
 
Frauen schaden sich also mit ihrer Körpersprache selbst?
Ja. Frauen halten zum Beispiel ihre Oberarme oft am Körper, um zarter zu wirken. Diese Ges-te gilt aber als Zeichen von Unbehagen oder gar Angst, weil die Arme so die Rippen schützen. Ausserdem halten Frauen dauernd den Kopf schief. Dadurch entblössen wir den Hals und das signalisiert dem Gegenüber, dass es nicht zu kämpfen braucht, weil es einfach ­zubeissen könnte, wenn es wollte. Die Geste signalisiert also Unterwerfung. Männer haben zudem viel weniger Bewegung in ihrer Körpersprache. Frauen haben die Tendenz, mehr zu schlängeln und aus der Mitte zu kippen, weil sie dann unstabiler aussehen und das den Beschützerinstinkt weckt. 
 
Das klingt letztlich alles nach albernem Gehabe. Warum verhalten sich Frauen so?
Albern? Nein, evolutionär ist das sinnvoll, denn Frauen sind Männern physisch nun einmal unterlegen und darauf angewiesen, nicht angegriffen zu werden. Nur unter den sehr neuen Umständen – Frauen im Business in Konkurrenz mit Männern – ist dieses Verhalten kontraproduktiv. Frauen kopieren ihre Mütter und entwickeln so ein geschlechterstereotypes Verhalten, das sie später selten reflektieren. Warum auch? Mit einer dem eigenen Geschlecht angepassten Körpersprache, eckt man weniger an. Es braucht eine  grosse Por­tion Mut, ein Verhalten an den Tag zu legen, das andere nicht erwarten. Und diesen Mut haben wenige. Frauen die verstehen, dass sie sich mit der typisch weiblichen Körpersprache schaden, versuchen oft, über übertrieben aggressives und dominantes Verhalten ihren Platz einzunehmen. Das wirkt aber schnell unangenehm.
 
Zart und weiblich sollen wir also nicht sein, männlich und dominant aber auch nicht. Wie kommen wir aus dem Dilemma?
Zart nicht, weiblich schon. Wer sagt, dass weiblich einen Gegensatz zu dominant darstellt? Stark heisst nicht, dass Frauen Männer imitieren. Es heisst, mit den Möglichkeiten einer klugen Berufsperson zu agieren und das Spiel mit dem Status gezielt für das eigene Ziel einzusetzen und vor allem Raum einzunehmen. Der Kontext definiert, welches Verhalten zum Ziel führt. Wer etwas durchsetzen will, agiert aus einem hohen inneren Status, also mit Selbstwertgefühl und aus einer sachlich geraden Position heraus. 
 
Wie nimmt man denn Raum ein? 
Dabei geht es vor allem um Präsenz. Die schafft man, indem man beispielsweise dem Gegenüber in die Augen schaut. Ausserdem hilft es, in den Bauch zu atmen. So vergrössert sich der innere Raum, die Stimme wird automatisch voller und tiefer und der Raum wird sozusagen stimmlich erobert. Eine klare Aussprache signalisiert Kompetenz und damit fachlichen Hochstatus. Wer beim Gestikulieren die Oberarme vom Körper entfernt, vergrössert seine persönliche Sphäre, und wer die Arme in die Richtung des anderen bewegt, zeigt, dass er es wagt, in das Territorium des anderen zu dringen. Frauen sollten auch darauf achten, in Sitzungen oder im Kreis der Kollegen ebenso viel Sprechzeit zu beanspruchen wie die Männer. Und noch ein Tipp für die Vorbereitung auf schwierige Termine oder Auftritte: Die Hände über den Kopf strecken. Diese Siegesgeste – ganz für sich allein – bereitet bestens auf alle Herausforderungen vor. 
Wichtig ist, dass der Raum mit Selbstverständlichkeit eingenommen wird. Nur wenn Frauen ihren Platz im öffentlichen Business­leben ohne Diskussion und ohne Aggression einnehmen, haben wir alle eine Chance auf Veränderung. Solange Frauen aber Bedenken haben, zu selbstbewusst zu wirken, sich klein machen und gegenseitig als Konkurrenz betrachten, bleibt alles, wie es ist. 
 
Die Veränderung geht also von den Frauen aus? 
Ja. Aber nicht gegen die Männer, sondern mit ihnen. Im Moment ist es aber so, dass die Männer kein Interesse daran haben, ihre Bas­tion aufzugeben. Sie arbeiten gern mit Frauen, solange sie das Aushängeschild sind – als Konkurrenz in der Führungsetage wollen sie Frauen aber immer noch nicht. M
 

Zur Person

Antoinette Anderegg ist Beraterin für ­Imagemanagement und Expertin für Körpersprache. 
apriori.ch

 

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