Es ist nicht kompliziert

Eine vertrauensvolle, gute Beziehung, in der Probleme angesprochen und gelöst werden: Davon träumen wohl viele. Einkäufer wünschen sich das aber nicht nur für ihr Privatleben, sondern auch für ihre Beziehung zu den Lieferanten. Das gelingt nur, wenn sie ähnlich gehegt und gepflegt werden wie Partnerschaften. 

«Ein Lieferant, bei dem das Produkt immer stimmt und mit dem es überhaupt keinen Ärger gibt, ist das Ziel», sagt auch Rosmarie Aegerter, die über 20 Jahre lang im Einkauf tätig war und täglich mit Lieferanten verhandelte. Heute leitet sie die Wissen.bilden GmbH und arbeitet als selbständige Beraterin und Trainerin in den Bereichen Einkauf, Beschaffung, Supply Chain Management, Detailhandel, Verhandlung und Kommunikation.

Damit aus dem Ziel Realität wird, bedarf es ihrer Ansicht nach vor allem Ehrlichkeit und guter Kommunikation. Und das von Anfang an. «Das beginnt damit, dass man selbst genau festlegt, was die eigenen Anforderungen sind, und geht weiter mit der Auswahl des richtigen Angebots», sagt die Expertin. Wie Ihnen beides gut gelingt, können Sie in den Teilen 2 und 3 dieser Serie nachlesen (Miss Moneypenny  Ausgabe 2/2016, Seiten 20–21 und Ausgabe 3/2016, Seiten 22–23). Spätestens nach der Auswahl ist Ehrlichkeit dann Trumpf.  Und zwar auch den nicht ausgewählten Lieferanten gegenüber. «Absagen sind ein Muss!», sagt Aegerter. Mit einer freundlichen und begründeten Absage hält man sich zum einen Türen offen, falls der ausgewählte Lieferant doch nicht der richtige ist oder später mal gewechselt werden muss. Zum anderen erspart man sich lästige Nachfragen und Anrufe. «Die kommen andernfalls auf jeden Fall und kosten Zeit», weiss Aegerter. 

Oppertunistische versus partnerschaftliche Einkaufsstrategie

Opportunistisch = Ziel ist der niedrigste Preis
Vorteil: günstigster Preis
Nachteil: keine Berücksichtigung weiterer Kriterien
Anzuwenden bei: klar definierten einfachen Gütern, die nicht regelmässig bestellt werden

Partnerschaftlich = Ziel ist eine langfristige Zusammenarbeit
Vorteil: Kriterien wie Kommunikation, Qualität etc. werden berücksichtigt. Sonderwünsche können erfüllt werden.
Nachteil: meist auf den ersten Blick nicht die günstigste Lösung
Anzuwenden bei: Gütern, die regelmässig bestellt werden oder komplizierter und teurer sind 

Auch mal loben

Zu Beginn einer jeden Geschäftsbeziehung sollte die Strategie klar sein. Geht es darum, einfach opportunistisch das billigste Angebot auszuwählen? Oder ist eine langfristige, partnerschaftliche Beziehung gewünscht? Die erfordert zwar erst mal mehr Aufwand, lohnt sich aber – auch bei alltäglichen Gebrauchsgütern wie Büromaterial. «Hier kann man den Aufwand enorm reduzieren», sagt Aegerter. Ein einmal definiertes Standardsortiment mit festen Preisen, aus dem die Abteilungen im Unternehmen nach einem definierten Bestellablauf abrufen können, macht es für alle einfacher und übersichtlicher. «Viele Lieferanten übernehmen von sich aus die Mengenschätzung für das nächste Geschäftsjahr aufgrund der gesammelten Daten», weiss die Expertin. Das spart Zeit. Und die ist meist wertvoller als das gesparte Geld bei ständig neuem Auswählen des günstigsten Angebots. Ablauf einer Bestellung, gewünschte Kommunikation oder auch der Umgang mit Reklamationen sind Themen, die man zu Beginn einer Zusammenarbeit klären muss. Ist das erledigt, kann es im Prinzip losgehen. Und dann hört man als Einkäufer am besten gar nichts. Weder beschweren sich die eigenen Mitarbeiter, noch meldet sich der Lieferant. «Wenn es so läuft, wurde alles richtig gemacht», sagt Aegerter. Und rät dazu, dem Lieferanten nach einiger Zeit ein positives Feedback zu geben. Ein kurzes Telefonat, in dem man seiner Freude über die unkomplizierte Zusammenarbeit Ausdruck verleiht, kostet nichts und stärkt die Beziehung. «Wer das nicht macht, hat sonst nur bei Problemen Kontakt», sagt Aegerter. Und das sei doch schade.  

Vor allem bei komplizierteren und teureren Produkten ist eine partnerschaftliche Beziehung dann immer einer opportunistischen vorzuziehen. «Hier kommt es eher mal zu Fehllieferungen oder Qualitätsschwankun-gen», weiss die Expertin. Und dann ist Krisenkommunikation gefragt. «Die funktioniert besser, wenn man vorher eine gute Ebene miteinander hat», weiss Aegerter. Sollten Fehler passieren, muss man diese natürlich sofort melden und eine Reklamation anzeigen. Welche rechtlichen Formalien man einhalten muss, wurde in Teil 4 der Serie erklärt (Miss Moneypenny Ausgabe 4/16, Seiten 22–23). Doch neben den rechtlichen Schritten und Möglichkeiten ist hier Fingerspitzengefühl gefragt. «Meist spürt man sehr schnell, ob eine Fehllieferung oder eine Verzögerung nur ein Ausreisser war», weiss Aegerter. Bei Letzterem reicht es ihrer Ansicht nach, das Problem anzusprechen und zu beheben. Dazu kann es auch notwendig sein, dass man als Kunde aktiv wird und interne Lösungsansätze vorschlägt. «Manchmal bestellt man als Kunde zu kurzfristig, das kann man ja intern ändern», schlägt Aegerter zum Beispiel vor. Wenn die nächsten Lieferungen dann wieder zur allseitigen Zufriedenheit ablaufen, kann man das Ganze zu den Akten legen. «Für eine spätere Argumentation in einer Verhandlung sollte man sich das aber trotzdem merken», rät Aegerter. 

Schwieriger wird es, wenn sich Fehler häufen. Dann rät die Expertin immer zu einem persönlichen Treffen. «Hier kann man erst mal klar machen, was der Fehler für den Kunden bedeutet», sagt sie. Wenn Abläufe gestört werden und die Produktion in Verzug kommt, muss aber allen klar sein, dass es nicht so weitergehen kann. «Zusammen mit dem Lieferant wird dann nach den Gründen gesucht und es wird ein Massnahmenpaket geschnürt», weiss Aegerter. Wurden Lösungsansätze vereinbart, empfiehlt Aegerter, dem Lieferanten eine definierte Zeit zur Umsetzung zu geben. «Man kann sich die Lieferanten durchaus ein bisschen erziehen und sie dahin bekommen, wo man sie haben will», sagt sie. 

Lieferanten vor Ort besuchen

Häufen sich die Probleme, sei auch ein Besuch vor Ort sinnvoll. «Normalerweise kommt der Lieferant immer zum Kunden, aber bei Problemen kann man das umdrehen», empfiehlt Aegerter. Denn wer vor Ort ist, sieht oft, wie der Hase läuft. Wer auf unordentliche Produktionsräume, schlecht gelaunte Mitarbeiter oder viele interne Stellenanzeigen an der Infotafel trifft, kann sich seine Gedanken über die Probleme beim Lieferanten machen. Ob sich eine weitere Verhandlung dann noch lohnt, hängt vom Produkt ab. Taktieren und weiter probieren lohnt sich nur, wenn man eine reale Chance auf eine Veränderung sieht. Wenn nicht, rät Aegerter zu einem Wechsel. «Den kann man klar ankündigen und dann eventuell noch eine Chance geben», sagt sie. Wenn dann nichts passiert, müsse man sich vom Lieferant trennen. Die Erfahrungen muss man dann aber mitnehmen und direkt in die eigenen Anforderungen übersetzen. 

Grundsätzlich fahre man als Einkäufer mit der Devise «Hart in der Sache, kulant in der Beziehung» eigentlich immer am besten. «Wer mit einer Win-win-Haltung in eine Lieferanten-beziehung geht, macht es richtig», sagt Aegerter. Je mehr man am Wohlergehen des anderen interessiert sei, umso eher könne man gute Ergebnisse erzielen. Sie warnt sogar davor, Machtspielchen zu spielen oder auf die unbedingte Einhaltung von Regeln zu pochen. «Da verliert immer einer und das bringt nichts», sagt sie. Wenn ein gegenseitiges Interesse da sei, würden beide gewinnen. Ganz wie in einer privaten Partnerschaft. 

Serie

Dieser Artikel ist der fünfte in einer Serie zum Thema Einkauf in Unternehmen.
Dieses Thema folgt in der kommenden Ausgabe: Verhandlungen führen

 

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