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«Die Ironie: Ich führe gar nicht gern Protokoll»

Peter Bründler ist seit bald 20 Jahren bei Hotel & Gastro formation Schweiz Assistent der Geschäftsleitung im luzernischen Weggis. Vor einigen Jahren wurde er durch Zufall auch zum HR-Leiter des Berufsbildungsverbands. Wie meistert er diese Doppelfunktion?

«Ich besitze keine klassische Assistenzausbildung, habe aber ein gutes Händchen für Organisation. Meine Karriere startete ich nach Abschluss des eidgenössischen Handelsdiploms in einer Treuhandfirma. Danach war ich acht Jahre lang als Sachbearbeiter im Bereich Finanzen, Mitgliederverwaltung und ICT für den Verband der Privatfliegerei tätig und übernahm dort 2000 die Leitung in der Administration. Anschliessend wechselte ich zu einem Technologieanbieter, bevor ich 2004 nach Weggis zu meinem heutigen Arbeitgeber kam, der Hotel & Gastro formation Schweiz.

Diese Anstellung verdankte ich dem damaligen Direktor. Wir ­kannten uns bereits, da er davor als Direktor des Aero-Club der Schweiz tätig war. Als er zu Hotel & Gastro formation wechselte, befand sich der Berufsbildungsverband im Umbruch. Es standen einige Veränderungen an und ihm war klar, dass er organisatorische Unterstützung benötigte. Nach acht Jahren Zusammenarbeit wusste er, dass er auf mich zählen konnte. Also holte er mich als Assistent der Geschäftsleitung zu sich ins Boot. Kurz nach meinem Stellenantritt in Weggis stellte sich heraus, dass Hotel & Gastro formation über kein HR verfügte. Zuvor hatte sich jeder Bereich eigenständig organisiert. Nun war es an der Zeit, die Personalverwaltung zentral zu organisieren und zu vereinheitlichen. Also wurde ich damit beauftragt, die Organisation des HR auf- und auszubauen. Das mache ich bis heute: Zu 70 Prozent bin ich als HR-Leiter tätig, zu etwa 30 Prozent als Assistent der Geschäftsleitung.

Ich bin durch meine Offenheit und Neugier in viele Sachen einfach «reingerutscht». Bei ICT zum Beispiel schätze ich es, dass ich die Entwicklung der ersten Computer miterleben durfte. Aber ich habe mich nie in diesem Bereich weitergebildet, weil sich die Technologie laufend verändert und hier der Anspruch ist, dass man ständig mithalten muss. Ich entschied mich stattdessen für die Zusammenarbeit mit Menschen und damit für das HR. Der Bereich ist einfach so vielfältig und abwechslungsreich – kein Tag ist wie der andere. Deshalb habe ich mich 2010 zur ­Ausbildung zum HR-Fachmann entschieden. 

Eigentlich bin ich als völlig unwissender Genussmensch in den Gastrobereich gerutscht. Aber ich lernte seither einiges an Insiderwissen dazu. Hotel & Gastro formation ist ein Mischbetrieb. Da wir eine Institution mit eigenem Berufsbildungszentrum sind, beschäftigen wir Mitarbeitende im Bereich KV-Administration und Bildung, aber auch in der Küche, in der Restauration, in der Hotellerie und im Facility Management. Aus Sicht des HR ist es spannend, so viele Berufe unter einem Dach zu vereinen. Alle arbeiten mit Herzblut. Das motiviert mich. Als Bildungsinstitution sind wir für die Grund- wie auch für die Aus- und Weiterbildung der Branche zuständig. Gerade in der Gastronomie und Hotellerie sind die Arbeitsbedingungen leider vielerorts nicht ideal. Deshalb ist es wichtig, hier ein Vorbild zu sein und vor allem auch täglich Wertschätzung den Mitarbeitenden gegenüber zu zeigen.

Meine Funktion in der Assistenz verbleibt mir unter anderem durch die Organisation des Verbands, in der Zusammenarbeit mit den Gremien läuft bei mir sowieso alles Administrative über den Tisch. Ich wurde zum Protokollführer ernannt und nehme deshalb an allen Sitzungen teil. So baute ich mir ein Know-how über die Organisation des Verbands auf. Dadurch wechsle ich auch vom Protokollführer zum Involvierten und zur unterstützenden Stelle der Direktion in organisatorischen Sachen. Die Ironie: Ich führe gar nicht gern Protokoll. Mein Fehler war, dass mein erstes Protokoll offenbar sehr gut war. In unserer Firma werden die Stärken dort eingesetzt, wo sie gebraucht werden – unabhängig von Titel und Funktionen. Meine Begabung liegt in der Organisation. Sachen mitentwickeln, verbessern und begleiten, das mache ich gerne. Ausserdem haben die Aufgaben als Assistent der Geschäftsleitung und Leitung HR einiges gemeinsam. Der eine Bereich bezieht sich auf das Geschäftliche, der andere auf das Menschliche, wobei für mich der Fokus auf der Organisation liegt. Manchmal heisst das auch, dass ich im Geschäft der «Tüpfli­schisser» bin, aber die braucht es auch.

Der Spagat zwischen den beiden Bereichen fordert mich manchmal. Kein Tag ist wie der andere. Seit ein paar Jahren unterstützt mich glücklicherweise eine Mitarbeiterin. Was mir besonders Freude bereitet ist, dass ich sie für den HR-Beruf begeistern konnte und sie sich jetzt zur HR-Fachfrau ausbilden lässt. Mein Team ist aber klein. Das funktioniert, weil hier die Hierarchien flach sind. Wir unterstützen uns unabhängig von unseren Rollen. So kommt es vor, dass die Direktorin mir manchmal die eine oder andere administrative ­Aufgabe abnimmt.

So gesehen, entspreche ich überhaupt nicht dem klassischen Bild des Assistenzberufs, zumal dieser noch immer eher weiblich geprägt ist. Wieso das so ist, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Eine mögliche Begründung ist, dass dieser Beruf historisch gesehen von Frauen ausgeführt wurde, weshalb heute noch das Berufsbild als «zu weiblich» angesehen wird, um Männer anzusprechen. Doch ich glaube, dass viele Männer wie ich bereits Assistenzaufgaben ausführen, einfach unter einem anderen Titel. Im Alltag fühle ich mich als Assistent weder «fremd», noch erlebe ich, dass ich deswegen anders behandelt werde. Im Gegenteil: Ich fühle mich hier sehr wohl. Deshalb arbeite ich schon seit bald 20 Jahren bei Hotel & Gastro formation Schweiz, weil hier meine Stärken so vielseitig zum Einsatz kommen. Ausserdem können wir hier am Fuss der Rigi sagen, dass wir an einem Ort arbeiten, an dem andere Ferien machen. Weggis ist wohl einer der schönsten Arbeitsplätze, die man sich vorstellen kann.»

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Online-Redaktorin, HR Today. jc@hrtoday.ch

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