Gesund am Arbeitsplatz

Besser früher reden

Psychische Erkrankungen sind in einer Welt, die auf Leistung ausgerichtet ist, noch immer ein Tabu. Das ist so unnötig wie falsch. Jeder einzelne kann seinen Beitrag leisten, damit sich das ändert. Besonders Führungskräfte sind hier gefragt. 

Im Juni kamen rund 100 Leserinnen von Miss Moneypenny zu unserem Leserevent ins Trois Rois in Basel. Das Thema des Abends: die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Unser Expertengespräch drehte sich darum, was Unternehmen tun können, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesund zu halten oder sie zumindest dabei zu unterstützen und eine Umgebung zu schaffen, die das Risiko für psychische Erkrankungen nicht zusätzlich erhöht. Letztlich liegt die Verantwortung für die psychische Gesundheit zwar in der Hand jedes einzelnen, doch Führungskräfte können durch gute Führung nicht nur zur Prävention beitragen, sondern auch betroffene Mitarbeitende durch eine schwere Zeit begleiten.

Psychische Belastungen sollten unbedingt ernst genommen werden. Sie verursachen erhebliche Kosten. Psychisch kranke Arbeitskräfte sind weniger produktiv und der Umgang mit ihnen fällt schwer. Im Gegensatz zu körperlichen Beschwerden sind psychische Leiden noch immer mit Vorurteilen behaftet. Zum Beispiel mit jenem, dass psychische Erkrankungen nicht heilbar und Mitarbeitende auch nach einer Rückkehr nicht mehr belastbar sind. Beides stimmt nicht. Von psychischen Erkrankungen kann man sich ebenso wie von einem gebrochenem Arm oder von einer Krebserkrankung erholen. Die Vorurteile und Tabus machen es uns aber noch immer schwer, das Gespräch mit den Betroffenen zu suchen. Führungskräfte können hier auch aufgrund ihrer Funktion an Grenzen stossen, wenn sie es versuchen. Welcher Mitarbeitende räumt schon gern dem Chef gegenüber Schwächen ein?

Psychische Belastungen erkennen

Betroffene gelten häufig als «schwierige» Mitarbeitende. Das heisst, den Kollegen oder dem Chef ist das Problem bekannt, es wird aber oft falsch interpretiert. Was zutage tritt, ist oft eine Leistungsschwäche oder ein Fehlverhalten der betroffenen Person. Allenfalls reagiert sie unberechenbar oder dünnhäutig, ist dauerhaft angespannt oder erschöpft. Auch häufige Unpünktlichkeit oder Fehlzeiten können ein Anzeichen sein.

Gespräche führen

Doch was ist zu tun, wenn einem eines oder mehrere dieser Frühwarnzeichen auffallen? Die Antwort ist: ansprechen. So früh wie möglich. Denn haben Chef oder Kollegen erst einmal die Geduld verloren, kann die Situation schnell eskalieren. Den einen richtigen Moment für ein Gespräch gibt es nicht, doch wenn eine Führungskraft ein deutlich ungutes Gefühl hat, ist es Zeit zu handeln. Handelt es sich wirklich um eine psychische Erkrankung, stehen die Chance für eine schnelle Genesung umso besser, je früher sich der Betroffene Hilfe sucht. Ausserdem können so die Arbeitskollegen oder das Team davor bewahrt werden, über lange Zeit unter einer unklaren Situation zu leiden und diese womöglich auszubaden. Im Gespräch sollten Führungskräfte auf jeden Fall ihre eigene Wahrnehmung benennen, also sagen, aus welchem Grund sie den Mitarbeitenden ansprechen. Ausserdem ist es zentral, an dieser Stelle auch die Wertschätzung gegenüber dem Mitarbeitenden auszudrücken: «Wir arbeiten seit vielen Jahren gut zusammen … Ich verstehe nicht, was in letzter Zeit vor sich geht … So kenne ich Sie gar nicht ...» «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass psychische Belastungen die Ursache für Konflikte/Absenzen/Leistungsabfall sein können» «Möglicherweise bin ich auf dem Holzweg, aber wenn dem so ist, wäre es gut, ich wüsste Bescheid ...»

Ein gutes Gespräch verschafft dem Mitarbeitenden Sicherheit, nach seiner Genesung an den Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Diese Botschaft ist zentral, denn wenn sich Mitarbeitende auch noch Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen müssen, beeinträchtigt das die Genesung. Gut ist es, wenn klar benannt wird, was es für die weitere Zusammenarbeit braucht und wenn konkrete Hilfsangebote unterbreitet werden. Viele Führungskräfte – ebenso wie andere Menschen – stossen bei Gesprächen über psychische Gesundheit an ihre eigenen Grenzen und wissen allenfalls nicht richtig, wie sie mit der Situation und mit dem oder der Betroffenen richtig umgehen sollen. Es macht daher Sinn, sich von Fachpersonen aus dem HR oder der Krankenkasse beraten zu lassen und diese allenfalls für ein Gespräch beizuziehen.

Tipps zur Prävention

Tipps für Arbeitgeber/Führungskräfte 

Führungskräfte sind massgeblich für die Unternehmenskultur verantwortlich. Ihr Verhalten gibt den Mitarbeitenden darüber Aufschluss, was im Unternehmen erwünscht ist und wie miteinander umgegangen wird. Es heisst nicht umsonst, der Fisch stinkt vom Kopf. Unfähige Führungskräfte können vieles ruinieren, talentierte können ein Klima schaffen, in dem Mitarbeitende gedeihen und sich wertgeschätzt fühlen. 

Offenes Klima: Wer Angst vor einer Kündigung hat, wird sich hüten, offen über eine psychische Erkrankung zu sprechen. Führungskräfte, die selbst darüber sprechen, wie es ihnen geht, signalisieren Offenheit im Umgang mit dem Thema. Es ist zentral, Mitarbeitende auch auf die Gesundheit ansprechen, auch die körperliche, wenn einem etwas auffällt. 

Wertschätzung: Mitarbeitende die sich wertgeschätzt fühlen, sind resistenter gegen Stress und haben damit eine wertvolle Ressource für ihre psychische Gesundheit. Wenn sich Führungskräfte Zeit für ihre Mitarbeitenden nehmen und deren Bedürfnissen den nötigen Raum geben, drückt das Wertschätzung aus. Dazu kann auch gehören, gemeinsame Aktivitäten mit dem Team ausserhalb des Arbeitsplatzes zu planen. 

Belastung: Führungskräfte sollten wissen, ob ihre Mitarbeitenden gut ausgelastet oder schlicht überlastet sind. Wer regelmässige Rückmeldungen zu Arbeitsmenge und Zeitressourcen einholt, kann reagieren. Wichtig: Prioritäten bei der Bearbeitung von Aufgaben angeben. 

Handlungs- und Gestaltungsspielraum: Führungskräfte, die ihren Mitarbeitenden Vertrauen schenken und Raum für eigene Entscheidungen geben, fördern die psychische Gesundheit. Nichts ist belastender als fehlender Handlungsspielraum. 

Tipps für die eigene psychische Gesundheit

Ebenso wie der Körper durch eine falsche Haltung fehlbelastet werden kann, gilt das auch für die Psyche. Jeder hat die Verantwortung, sich selbst Sorge zu tragen und die eigene psychische Gesundheit zu pflegen. Eine Erkrankung ist zumeist das Resultat verschiedener Einflüsse, die sich nicht nur auf die Arbeit beschränken. Alle Tipps für Betroffene sollten daher über den Arbeitsplatz hinaus betrachtet werden, denn Defizite in einem Lebensbereich lassen sich durch eine gute Balance in einem anderen Bereich fast immer kompensieren. 

Aktiv bleiben: Die mentale Gesundheit hängt zu einem grossen Teil von der körperlichen ab. Wer lange sitzt oder steht, tut weder Körper noch Psyche etwas Gutes. Darum: auch kleine, kurze Bewegungseinheiten helfen, gesund zu bleiben. 

Entspannen: In vielen Jobs ist es eine Illusion, jemals mit der Arbeit fertig zu sein. Da hilft nur eins – gehen, auch wenn man nicht fertig ist, und seinen Frieden damit schliessen, dass das auch nie so sein wird. Denn nur wer mit den eigenen Kräften haushält, kann seine Energiespeicher wieder auffüllen. 

Lernen: Unsere Hirnzellen brauchen Training und neuen Input. Beim Lernen geht es aber keinesfalls darum, Weiterbildung an Weiterbildung zu reihen. Zum Lernen gehört auch, dass wir uns neue persönliche oder soziale Kompetenzen aneignen. 

Kreativ sein: Hier geht es nicht darum, dass Sie malen oder basteln müssen. Es geht darum, dass unser Hirn eine Atmosphäre geistiger Ungezwungenheit braucht, um neue Ideen zu haben. So erleben wir uns als aktiv und schöpferisch und das ist ein gutes Gefühl.

Darüber reden: Das Leben kostet Kraft. Immer, und auch wenn es gut läuft. Doch zumeist bereitet uns irgendetwas Sorgen, sind wir in Konflikte involviert oder haben an irgendeiner Stelle Stress. Es hilft, mit Kolleginnen und Kollegen und auch mit dem Vorgesetzten im Gespräch zu bleiben. Das sorgt für Verbundenheit und hilft, Probleme zu lösen – manchmal sogar bevor sie wirklich gross sind.

 

 

Quellen: 

promentesana.ch
wie-gehts-dir.ch
promentesana.ch
gesundheit.lu.ch 
compasso.ch 

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