Konfliktmanagement

AW: Re: Re: So bitte nicht!

Zu lang, zu inhaltsleer, zu unhöflich und vor allem: viel zu viele davon! E-Mails sind eigentlich ein praktisches Kommunikationsmittel, aber sie bieten auch viel Potenzial für Missverständnisse. Wie man diese vermeidet, wissen die Kommunikationsexpertinnen Michaela Kellner und Andrea Khom.

«Sag mal, bist du irgendwie genervt oder so? Auf so einen Ton habe ich ja gar keine Lust!!!» Das schrieb ein Kollege plötzlich nach einem tagelang andauernden Austausch per E-Mail über ein gemeinsames Projekt. Während er immer sehr ausführliche Texte geschrieben hatte, war seine Kollegin auf möglichst kurze Antworten bedacht – weil sie hoffte, das Prozedere so beschleunigen zu können. Und, nun ja, offen gesagt: Diese ewig langen Abhandlungen, die zur Hälfte aus Wiederholungen von bereits Gesagtem bestanden – ja, die nervten auch! 
 
E-Mails transportieren nicht nur Informationen, sondern auch Emotionen. Oft auch, ohne dass der Absender das beabsichtigt. «Man sollte es daher vermeiden, in der ersten Emotion zurückzuschreiben», ist daher einer der ersten Tipps der Kommunikationstrainerinnen Michaela Kellner und Andrea Khom in ihren E-Mail-Trainings. Denn: «Ärgern wir uns z. B. über den unfreundlichen Tonfall, lesen wir den Inhalt durch die ‹Ärger-Brille› und unbewusst lehnen wir den Inhalt des E-Mails gleich mit ab.» Oder denken wir einfach nur daran, was wir empfinden, wenn ein Absender unseren Namen falsch schreibt!
 
 

Kurz, aber nett: Wie geht das?

Im Gegensatz zum persönlichen Gespräch oder Telefonat ist E-Mail ein asynchrones Medium. «Das heisst: Sender und Empfänger stehen nicht in unmittelbarem Dialog», erklärt Andrea Khom. Das kann vorteilhaft sein, weil der Absender seinen Teil der Arbeit erledigen kann, ohne abwarten zu müssen, wann der Empfänger Zeit dafür hat. Der andere wiederum kann antworten, wenn es für ihn passt und er vielleicht noch fehlende Informationen einholen musste.
 

«Ein übereiltes mündliches Wort wird wieder vergessen – aber ein geschriebenes Wort kann noch nach 50 Jahren Unheil stiften.» 

 
Diese Asynchronität bedeutet aber auch: «Wir können nie wissen, in welcher Stimmung der Empfänger ist, wenn er das E-Mail liest.» Das geschriebene Wort bietet viel Platz für Interpretationen, weil Mimik, Gestik und die Tonlage der Stimme fehlen. 
Was kann man also tun, damit es dabei nicht zu Missverständnissen kommt? «Die Struktur eines E-Mails ist wichtig: Schreiben Sie immer eine Anrede und einen positiven ersten Satz», rät Michaela Kellner. «Dann kurz und prägnant den Inhalt schreiben. Die Länge eines E-Mails sollte die einer ausgedruckten A4-Seite nicht überschreiten», ergänzt Andrea Khom. «Und die Betreffzeile sollte unbedingt auf den Inhalt abgestimmt sein.» Denn ein aussagekräftiger Betreff hilft dem Empfänger, die Nachricht schnell einzuordnen – was in Zeiten von E-Mail-Fluten sehr hilfreich ist und Stress nehmen kann. «Eine Grundregel ist auch, nur ein Thema pro E-Mail anzusprechen. Wollen Sie also über mehrere Themen informieren, schreiben Sie mehrere Einzelnachrichten. So erhält jedes Thema die volle Aufmerksamkeit des Lesers.»
 
Kurze, prägnante Inhalte, das ist leicht gesagt: Doch wie gelingt das? Dafür haben die beiden Kommunikationstrainerinnen die K.I.S.S.S.S-­Methode entwickelt: «Keep it short, simple, structured and stimulating» (siehe Infokasten). Übersetzt könnte man sagen: sich kurz fassen, einfach ausdrücken, seine Nachricht strukturieren und positive Wörter und Aussagen wählen, sodass sie angenehm zu lesen ist. 
 
Von Emojis wiederum raten die Expertinnen ab: «Unter Kollegen oder Kunden, die einem wirlich nahestehen, werden sie schon einmal verwendet. Allerdings können auch sie zu Missverständnissen führen, denn es kann vorkommen, dass dem Empfänger ein anders aussehendes Emoji angezeigt wird, wenn er ein anderes Betriebssystem auf seinem Computer benutzt», so die Erfahrung von Michaela Kellner. Besser ist es, die emotionale Botschaft in Worte zu fassen, etwa: «Ich freue mich, dass Ihnen unser Angebot gefällt.»
 
 

Ruf mal wieder an!

Es bleibt die Frage: Müssen wir überhaupt so viele E-Mails schreiben? Schliesslich beschwert sich jeder darüber, dass er viel zu viele davon bekommt, deren Abarbeitung wertvolle Arbeitszeit raubt. «Im Zuge der Digitalisierung wollen wir andere Menschen immer erreichen können. Ausserdem soll heute alles dokumentiert sein. Die Schriftlichkeit dient häufig zu Beweiszwecken und zum Absichern. Daraus ergibt sich leider auch das CC an viele andere», gibt Michaela Kellner zu bedenken. 
 
«Bei unangenehmen Themen finden es viele Menschen leichter, per E-Mail zu kommunizieren», hat Andrea Khom beobachtet. «Aber gerade bei schwierigen Gesprächen führt die persönliche Kommunika­tion meist rascher zu einer Lösung.» Auch wenn zwei Personen einen gemeinsamen Termin für ein Meeting finden wollen, gehe es mit einem Telefonat meist schneller und unkomplizierter. Mit anderen Worten: Wer sich zwischendurch immer mal wieder die Frage stellt, ob er eine Anfrage auch telefonisch oder persönlich stellen kann, verringert damit auch das eigene E-Mail-Aufkommen. 
 
Dass sich das nicht nur positiv auf die Effizienz, sondern auch auf die Stimmung auswirken kann, hat sich offenbar auch schon in so manchem Unternehmen herumgesprochen. Michaela Kellner berichtet: «Wenn wir für ein Kommunikationstraining gebucht werden, bekommen wir oft den Zusatzauftrag: Sagen Sie den Leuten, sie sollen wieder mehr miteinander reden und nicht nur schreiben!»  
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